Expedition auf den Peak Lenin (7134m) – wissenschaftlicher Rat

Zwei baskische Bergsteiger kontaktierten unser Institut während ihrer Vorbereitung auf eine Expedition zum höchsten Berg der Transalai-Kette im nördlichen Pamir Gebirge. Mit 7134m grenzt Peak Lenin im Norden an Kirgistan und im Süden an Tadschikistan. 1928 wurde Peak Lenin das erste Mal bestiegen und gilt heutzutage als beliebter  7000er.

Die Zwillingsbrüder Aitzol und Axier Jaka (35), zwei leidenschaftliche Bergsteiger, setzten sich Peak Lenin über die Razdelnaya Top Route für Anfang Juli zum Ziel. Peak Lenin ist für sie der erste Versuch, einen 7000er zu besteigen. Sie starteten ihre Vorbereitung mit der Evaluation bisheriger Höhenerfahrungen. Während einer vorherigen Besteigung des Elbrus (5610m) bereitete ihnen die Höhe am Gipfeltag Probleme. Trotz gebräuchlicher Akklimatisationstour auf einen 4000er Gipfel, vereitelte ihrer Meinung nach die niedrige Schlafhöhe (3750m) den Gipfelerfolg am nächsten Tag. Sie erreichten „nur“ 5300m. Erst am Folgetag war es für sie möglich den Gipfel zu besteigen.

„…instead, the next day, with really bad weather, windy and stormy, we could arrive the summit, because of the additional day of acclimatization.“

Daraus zogen sie folgenden Schluss:

„our acclimatization process is slower than other people: we need more time to acclimatize than common people“

„we need ascend and sleep as high as possible to acclimate“

Die Evaluation persönlicher Höhenerfahrungen ist der erste wichtige Schritt in der Vorbereitung auf weitere (höhere) Gipfelversuche, da der Akklimatisationsprozess von vielen individuellen Faktoren abhängig ist. Aus diesem Grund gibt es keine eindeutigen wissenschaftlichen Aussagen bezüglich des Akklimatisationsprozesses, die für jede/n Bergsteiger/in gleich von Bedeutung sind. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse basieren hauptsächlich auf der Sammlung von individuellen Erfahrungswerten (F. Berghold, 2015, in Alpin- und Höhenmedizin).

Wie die zwei Bergsteiger richtig vermuteten, ist die Schlafhöhe sehr bedeutend für eine erfolgreiche Besteigung, die Schlafhöhendistanzen definieren den Akklimatisationsplan. Für jede/n Bergsteiger/in gilt eine indivudelle „kritische Höhe“. Nach erreichen dieser, sollten mehrere Nächte auf der Höhe geschlafen werden, bevor man aufsteigt. Um Symptomen der akuten Bergkrankheit vorzubeugen, sollten die täglichen Schlafhöhenunterschiede oberhalb der kritischen Höhe nicht mehr als 400m sein.  Da dies für viele Besteigungen (auch für die von Aitzol und Axier) unter anderem aus logistischen Gründen nicht realistisch ist, ist die Anzahl der Nächte auf der nächsten Höhe entscheidend.

Grundsätzlich gilt aber: man sollte immer so tief wie möglich schlafen, um dem Körper eine weitgehende Regeneration zu ermöglichen. Dafür kann die höchste Tageshöhe bis 1000m darüber liegen. Wichtig ist auch, dass man stets Fluchtwege in tiefere Regionen in Betracht zieht, nachdem man sich folgende Fragen stellt: wie ging es mir in der vergangenen Nacht, vor allem bezüglich Kopfschmerz? (Leitsymptom der akuten Bergkrankheit).

Aus einer weiteren Höhenerfahrung berichtet Aitzol:

„When I was in Ecuador, sleeping in refuges at 4700m – 5000m, I constantly woke up during nights. I couldn’t breath, it was a similar feeling to anxiety attack, but I wasn’t nervous and the next morning I was „well“ and I could climb without heavy headache…is it normal?“

Bei steigender Höhe sinkt die objektive und subjektive Schlafqualität linear. Studien zeigen, dass über 4000m die Häufigkeit von „Arousals“ signifikant steigt. Das teilweise unbewusste Erwachen aufgrund von zu niedriger Sauerstoffsättigung erstreckt sich über Sekunden bis zu wenigen Minuten. Das Gehirn erhält das Signal von mangelnder Sauerstoffversorgung der Zellen, was in einer beschleunigten Herzfrequenz resultiert und den Atemrythmus erhöht (periodische Atmung) (Pramsohler et al., 2019).

Allerdings gibt es weitere unterschiedliche Faktoren, die den Schlaf in der Höhe beeinflussen, wie zum Beispiel die Position des Oberkörpers während des Schlafens, kalte Inspirationsluft, Verdauungsprobleme oder Schmerz. Auch beeinflusst die Tagesaktivität den Schlaf. Wenn man sich tagsüber durch einen Anstieg verausgabt, bauen sich die dadurch verursachten hohen Adrenalin und Cortisol-Werte  im Schlaf nur sehr langsam ab und können Schlaflosigkeit verursachen.

Aufgrund ihrer Erfahrungen entwickelten Aitzol und Axier folgenden Akklimatisationsplan (siehe Bild). Für sie beginnt der kritische Teil der Expedition vermutlich ab Camp 2 (5300m) der Razdelnaya Top Route, vor allem deswegen, da der Sprung von Camp 2 (5300m) auf Camp 3 (6100m) in diesen Höhenlagen sehr groß ist.

Durch ihre akribische Vorbereitung und der guten körperlichen Verfassung bin ich zuversichtlich, dass die Expedition von Aitzol und Axier ein Erfolg wird. Mit ein bisschen Glück werden sie zwischen dem 15.07 und 18.07.19 am Gipfel stehen. Wir werden über die Besteigung berichten!

Linda Rausch, MSc.